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Jutta Seidel

Beeindrückende Collagen

Text für die Einladung zur Ausstellung Martin Hoffmann »Schichtungen«
September 2006 in der Galerie Carlshorst in Berlin

Anfang des Jahres hatten wir im Wartezimmer unserer Zahnarztpraxis eine Ausstellung der Collagen von Martin Hoffmann. Noch nie in unserer nun schon langjährigen Geschichte der Ausstellungen gab es eine solche Vielzahl von Reaktionen wie diesmal.
 
Dabei war der Anfang für mich einigermaßen aufregend. Martin hatte mir seine Auswahl gezeigt, und ich hatte mich sehr darauf gefreut. An einem Freitagmittag nach der Sprechstunde haben wir mit dem Aufbau begonnen. Schon die lose Aufstellung der Arbeiten im Wartezimmer rief erstes Entsetzen bei unseren Helferinnen hervor. Ob da noch was anderes käme, fragten sie mich, und ob das mein Ernst wäre. Sie müssten schließlich von morgens bis abends hinter ihrem Anmeldungs-Tresen sitzen und in diese dunklen Gesichter sehen. Das hat mich das ganze Wochenende über sehr beschäftigt.
Sollte ich Martin sofort anrufen, um ihm zu sagen, dass wir wieder abbauen müssen? Wie sagt man einem Künstler, dass seine Werke nicht zumutbar sind? Warte ich den Montag ab und rufe erst im Falle einer Palastrevolution an? Warte ich ab, ob Patienten angesichts der neuen Ausstellung unter Protest das Wartezimmer verlassen? Was werden meine beiden Kolleginnen sagen, um deren Patienten es ja auch geht? Wohl war mir nicht…
Schon am Montag mit den ersten positiven Äußerungen meiner Kolleginnen ging es mir besser. Es kam zu keiner Katastrophe.
 
Gewöhnlich äußern sich nicht viele Patienten zu den Ausstellungen. Besonders Missfallensbekundungen sind selten. Diesmal kamen im Warte- wie auch im Sprechzimmer bald heftige Reaktionen. Es gab eine klare Zweiteilung – hier Skepsis bis hin zu Ablehnung und Entsetzen, da überschwängliche Begeisterung.
Es gab richtig schwierige Gespräche, denn einmal in Aufruhr konnte ich ja nicht sofort zur Tagesordnung, in diesem Falle zur Behandlung, übergehen, bei der bekanntermaßen verbale Äußerungen nicht möglich sind.
Was nur haben die Köpfe in den Köpfen und Seelen in Gang gebracht? Von Angst, Einsamkeit und Depression war die Rede, vom Fehlen der Farbe, Wärme, Liebe, Optimismus und Lebensfreude. Aus einem Eintrag in unser Ausstellungsbuch: „Ich schaue weg und vertraue auf die Liebe woanders, weil das, was mir hier gezeigt wird ist nur die Welt der Schatten, kalt, grau, einsam, allein…“
Es ist wunderbar, dass Menschen sich bewegt fühlen, in so ein öffentliches Buch so private Dinge zu schreiben. Lob und Begeisterung formulieren sich leichter aber weniger differenziert. Hier ging es um tolle Arbeiten, Faszination, Nachdenklichkeit, „Kommunikation mit dem vergangenen Leben“. Besonders die Künstler unter unseren Patienten waren begeistert von der Technik.

Ein Eintrag, der von einer holländischen Patientin stammt und so schön doppeldeutig ist:„Sehr beeindrückend! Herzlichen Dank!“ Ich schließe mich dem an und freue mich auf die nächste Ausstellung.
Übrigens: Unsere Helferinnen haben alles gut überstanden und sind angesichts der Publikumsreaktionen einigermaßen versöhnt.


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